Zarathustra und der Mithraskult

Im Mittelpunkt der von Zarathustra (628-551 v.d.Z.) gegründeten persischen Religion steht Ahura Mazda, der persische Lichtgott. Zarathustra, asketisch und zurückgezogen lebend, fügte uriranische, indoarische und babylonische Elemente zusammen. Diese synkretistische Arbeit ermöglichte die Entwicklung des Mithras-Kult als Mysterienreligion für besondere Interessen, denen gegenüber gerade auch die Römer (insbesondere das Militär) aufgeschlossen waren.

Die Geschichte, die diesem Kult zugrunde liegt, ist rasch dargestellt: Alle Menschen stammen von einem Paar ab, das in einem Paradies lebte; es wird von einer Sintflut berichtet (wie bereits im Gilgamesch-Epos und später im Alten Testament), der ein Neubeginn folgt. Dann Mithras, geboren von einer Jungfrau, die von Engeln eine Verkündigung bekam; nach seiner Geburt mußte seine Familie fliehen; nach seinem Tode fuhr er in den Himmel; es wird ein Weltgericht am Ende der Zeit geben mit Auferstehung der Toten (siehe auch Koepf: “Mithras oder Christus”, S.19). Die menschliche Seele soll nach ihrer Trennung vom Körper den Aufstieg durch die sieben Planetensphären leisten und schließlich dem ganzen Menschen nach seinem Tod die ewige Seligkeit ermöglichen.

Zarathustra soll in einer Höhle geboren worden sein (siehe die ostkirchliche Erzählung über die Geburt Jesu). Einige behaupteten, er sei von seinen Gegnern ermordet worden, andere meinten, er sei durch einen göttlichen Strahl überraschend getroffen und von ihm mit Feuer und Flammen gen Himmel getragen worden (wie es sich für einen Offenbarungsträger eines Lichtgottes gehört), im Mithraskult und dann auch in der kirchlichen Christologie wurden beide Themen verarbeitet (siehe z.B. auch das biblische Vorbild Elias: er fuhr mit einem feurigen Wagen gen Himmel). Er empfängt die Offenbarung seiner Religion direkt von Ahura Mazda (siehe auch: Mose von Jahwe; Mohammed von Allah; Paulus von Christus).

Zarathustra nimmt die Offenbarung an. Allein durch die Annahme imitiert er die Urtat Mazdas durch die Wahl des Guten. Gleiches wird von den Gläubigen verlangt. Die imitatio dei (die Nachahmung Gottes, auch ein wichtiger neutestamentlicher Begriff) ist das Zentrum der zoroastrischen Reform, wobei der Mensch frei wählen kann zwischen Gut und Böse (Gleiches finden wir im Alten und im Neuen Testament).

Die Anhänger verstehen sich nicht als Sklaven oder Diener eines Gottes, sondern als Herren ihrer Entscheidungen (arische Herren-Religion). Dies ist eine wesentliche Selbsteinschätzung jedes Kultpersonals, selbst wenn sie sich “Knechte” oder “Diener des Wortes” oder “Diener Gottes” nennen.

Von dieser Position aus ist es leicht verständlich, daß der Göttersohn Mithras der Lieblingsgott der Krieger und der römischen Legionäre geworden ist.

Der Gott Ahura Mazda hat die Welt durch sein Denken geschaffen, was einer creatio ex nihilo entspricht: der Schöpfung aus dem Nichts (siehe 1.Mose 1, Weisheit Salomonis Kapitel 9 und Johannes-Evangelium Kapitel 1). Ahura Mazda wird von einer Gruppe göttlicher Wesen (Amesha Spenta) begleitet (“Engel”; im Alten Testament im militärischen Sinne auch “Heerscharen” genannt), die Personalisierungen seiner Eigenschaften darstellen:

    Asha = Recht

    Vohu Manah = Guter Sinn

    Armaiti = Frömmigkeit oder frömmigkeitsgemäße Gesinnung

    Xshathra = Herrschaft/Macht

    Hauratat = Integrität und Gesundheit

    Ameretat = Unsterblichkeit

Ahura Mazda ist Vater der “Wesen” Asha, Vohu Manah und Armaiti und ferner Vater der beiden Zwillingsgeister Spenta Mainyu, der gute Geist, und Angra Mainyu, der zerstörerische (böse) Geist [hier erkennen wir das Abbild für die Freiheit, sich entscheiden zu können]. Die Geister sind aufgrund ihrer Entscheidungen und nicht aufgrund ihrer Naturen so unterschieden.

Zwischen den beiden Geistern bricht Gegnerschaft aus, so daß eine Gegenbewegung entsteht, nicht jedoch ein Gegen-Gott (siehe auch den Engel Lucifer, den “gefallenen” Engel). Da Angra Mainyu den Seinsmodus frei gewählt hat, kann der weise Herr nicht verantwortlich gemacht werden für das Böse. Wir erkennen eine Parallele zum Sündenfall: Adam und Eva haben frei entschieden, also ist Gott nicht verantwortlich und deshalb hatte er das Recht auf Strafe.

Die Gottesvorstellung der Existenz des Bösen als Voraussetzung der Freiheit des Menschen entstammt also dem mythischen System der Zweiteilung. Zarathustra versucht, die Antithese zu überwinden durch die Schaffung eines Übergottes (also einer dritten Gottheit) und gibt dem Dualismusproblem (gut und böse, was wir auch aus der Erziehung kennen) eine neue, vor allem ethische Bedeutung, was dem Versuch einer Harmonisierung von zwei sich ausschließenden Tatbeständen auf der nächst höheren Ebene entspricht. Daraus entsteht eine Trinitätslehre.

Die Trennung zwischen Gut und Böse ist Folge der Entscheidung, wobei die Geister entscheiden konnten zwischen Recht (Asha) und Trug (Drug). Zarathustra verlangte, daß den Göttern (den Daevas, den Göttern der traditionellen iranischen Religion), da sie sich für den Trug entschieden haben, keine Rinder mehr geopfert werden durften (dies erinnert an den Hinduismus und die heilige Kühe).

Zarathustra zweifelte nicht daran, daß die Gerechten über die Bösen siegen und in das Paradies zugelassen werden, - aber wann? -, und er betonte die Bedeutung des Gerichts. Der Weg ins Jenseits führt über die Richterbrücke, die Cinvat-Brücke (Lügenbrücke; auch aus dem Islam ist dieses Motiv bekannt).

Zarathustra flehte zu Ahura Mazda: “Lehre mich, was du weißt” (Weisheitslehre), “laß uns den Beschützer erkennen, der das Leben heilen wird” (Heiland). Er dachte, daß das Weltende unmittelbar bevorstand (wie später auch Paulus). Es sollte eine Umgestaltung stattfinden (“daß wir doch jene wären, die dieses Leben erneuern”) und er bezeichnete sich selbst als Erlöser: saosyant.

Eschatologisch (endzeitlich) erwartete er das Feuer, das sowohl die Bestrafung der Bösen als auch die Regeneration des Lebens zum Ziel hat. Da es ausblieb, wurde die Erwartung des Gerichts und der Erneuerung der Welt immer weiter in die Zukunft verlagert (wie es die Schüler des Paulus auch tun mußten).

Bei den Indo-Ariern u.a. waren Schauspiele zur Erneuerung der Welt bekannt, in denen die Kosmogonie (Erschaffung der Welt) dargestellt und dadurch nacherlebt wurde, was Neujahrsfest genannt worden ist (auch das Judentum kennt diese Art des Neujahrsfestes).

Exkurs zum persischen Neujahrsfest

Der Perserkönig Darius baute Persepolis als heilige Hauptstadt, die keinerlei politische oder strategische Bedeutung hatte, sondern eine rein religiöse. Dort sollte die Neujahrsfeier stattfinden, die die Welt erneuerte durch die symbolische Wiederholung der Kosmogonie. Das war den Indoariern bekannt, und das Fest stand unter der Schirmherrschaft von Ahura Mazda, der an verschiedenen Toren von Persepolis dargestellt war. Die Kosmogonie enthielt den siegreichen Kampf eines Gottes oder Helden gegen ein Seeungeheuer oder einen Drachen (Indra - Vrtra; ein weit verbreitetes Motiv, siehe z.B. ägyptisch Re - Apophis, mesopotamisch Marduk - Tiamat, palästinensisch Baal - Jam; griechisch Zeus - Typhon). Helden und Könige wurden als Drachentöter gerühmt. Mit in diese Symbolik eingegangen ist, daß Feinde und Gegner der Nation als Ungeheuer und Drachen gedacht wurden. Der König war selbst für die Erneuerung der Welt verantwortlich, er siegte über das Böse und verhalf dem Leben zum Sieg. Zarathustra erwartete von der neuen, guten Religion die allgemeine Erneuerung, von den Priestern durch ihre Opfer die Vorwegnahme und Erarbeitung der eschatologischen (endzeitlichen) Umwandlung. Zarathustra erwartete die (allgemeine) Mitwirkung des Menschen bei göttlichen Ereignissen: Menschen können also göttliches Handeln begrenzen, indem sie es unterstützen oder nicht (siehe das Thema “Hoffnung” im Judentum, wobei es die Idee gibt, daß der Messias erst kommt, wenn alle Juden rechtgläubige Juden sind). Diese Wiederholungsopfer sind ins Christentum aufgenommen worden (z.B. im Abendmahl, auch Eucharistie genannt).

Zarathustra verkündete eine radikale und endgültige Erneuerung mit paradiesischem Einschlag, was nicht mehr durch ein kosmogonisches Ritual erlangt wird, sondern durch den Willen Ahura Mazdas. Allerdings beinhaltet die Erneuerung das Gericht: Belohnung des Gerechten und Bestrafung des Bösen (die kirchliche eschatologische Vorstellung gebunden an das Jüngste Gericht ist also zoroastrischen und damit indo-arischen Ursprungs).

Zarathustra verkündigt die Heiligkeit, Güte und Allmacht, die er, Zarathustra, direkt vom Herrn Ahura Mazda empfängt. Der Mazdäer entscheidet sich für das Gute, die Daevas sind die Bösen, und der Mazdäer muß gegen das Böse kämpfen (heilige Pflicht, heiliger Krieg).

Zarathustra nennt Ahura Mazda den “Weisen” (Assoziation zur Weisheitslehre, die im Alten Testament v.a. durch die Psalmen, die Sprüche und andere Texte, die Salomon zugeschrieben werden, repräsentiert wird). Gutes Denken ist Weisheit und wird mit Wissenschaft identifiziert.

Im Laufe dieses Mazdäismus kam es zur Akzentuierung des Gottes “Mithras”, des göttlichen Sohnes, des göttlichen Helden (Kultheros), ursprünglich eine wichtige nahöstliche Schwurgottheit, wie auch Indra (gelangte nach Indien) und Baal (baal berith = Herr des Bundes), die für die Unverbrüchlichkeit von Verträgen standen und dann Revisionen unterzogen wurden, da sich die Interessen verlagerten (Baal wurde z.B. zum Feindbild für die Eroberer des “gelobten” Landes).

(Zum Namen: der Bischofshut “Mithra” ist der Hut des Mithras gewesen und hat seinen Namen von dieser Gottheit).

Mithras ist von Ahura Mazda geschaffen worden, ihm zum Bilde (“ich mache ihn genauso anbetungswürdig wie mich selbst”). Mithras wurde auch “der Weidenreiche” genannt. Die Einwanderer in Indien, hellhäutige Indoarier, waren Viehhirten und -züchter und brachten diese religiöse Vorstellung nach Indien (siehe auch den Schwurgott Indra).

Mithras erhielt die Macht, Größe und Schöpferkraft von Ahura Mazda . Er ist ein Sonnengott (Sohn des Lichts, Licht der Welt; die Sonnenscheibe als sein Symbol wird kirchlich zum Nimbus, zum Heiligenschein). Interessant ist der Sachverhalt, daß Mithras Taten, Handlungen und Anweisungen konkret und faßbar sind, während der weise Ahura Mazda nur redet und mitteilt. Der Vorbildcharakter wird als visueller für die Nachfolger leichter erfaßbar (“video” heißt zu deutsch “ich sehe”, davor ein “aha” gesetzt, und wir merken, was gemeint ist und wie es im Englischen noch im Gebrauch ist “I see”), als die akustischen Mitteilungen, die gelegentlich auch zu eigenmächtigen Gedanken anregen, die revolutionären (ketzerischen) Anschein aufleuchten lassen können. Außerdem hat die körperbetonte Teilnahme an den Ritualen therapeutischen Charakter (wie die “neuere” psychotherapeutische Diskussion zum Thema zeigt). So rückte Mithras immer mehr in den Vordergrund praktischer Lebensführung und überschaubarer (“herrlicher”) Selbstvorstellung.

Es gibt einen Hymnus, der beide Götter vereint, mit dem Namen Mithras-Ahura, eine Wiederholung des bekannten vedischen Doppelnamens Mitra-Varuna. In diesem Hymnus zielen Ahura Mazdas Taten und Handlungen auf die Verherrlichung und Erhöhung des Mithras. Darüber geriet Mithras noch mehr in den Vordergrund. Er ist ein Gott der Verträge (Gläubige, die Mithras anbeten, dürfen keine Verträge brechen), ein besonders geeigneterr Gott für einen Kriegsherrn (Legionäre sind ihm ja wohl lieber als Deserteure; ein Sachverhalt, der bekannt ist auch aus jüngerer deutscher Geschichte, die belegt, daß selbst Deserteure der Nazi-Zeit keinen Anspruch auf Ehre und/oder Rente hatten). Mithras wird zum Gott des Krieges, der die Daevas und die anderen Gottlosen gnadenlos mit seiner Keule metzelt (das begegnet uns auch bei Indra im Hinduismus). Wir kennen den Begriff des “heiligen Krieges” und das Segnen von Waffen durch Militärgeistliche. Außerdem hat Mithras als Sonnengott 1.000 Ohren und 10.000 Augen, er ist allsehend (er sieht alles!) und allwissend (er weiß alles!), wie alle Herrschergötter. Er ist universaler Versorger und deshalb auch für die Fruchtbarkeit von Feldern und Herden verantwortlich. So werden zahlreiche unterschiedliche Merkmale vereint, die sich bisher schlecht vereinen ließen, um aus diesem Neben-Gott einen Hochgott zu machen.

Ahura Mazda errichtet ihm, zusammen mit den guten Geistern, über dem Berg Hara ein Haus, d.h. eine geistige Welt oberhalb des Himmelsgewölbes. Mithras beklagt sich jedoch beim Herrn, daß er nicht angebetet wird. Daraufhin wird er im Hymnus auf einem von weißen Pferden gezogenen Wagen dargestellt, wie er böse Geister verfolgt oder die vernichtet, die Verträge brechen. Mithras wird nun in den Rang des höchsten Gottes erhoben. Nach dieser Vergottung kehrt Mithras zur Erde zurück, um die Daevas und andere Gottlose auszurotten. Er wird als Licht, das die ganze Welt erhellt, angebetet, er ist das Licht der Welt (vergl. JohEv 8,12)